Warum Astrologie funktioniert

“Warum Astrologie funktioniert, allen Skeptikern zum Trotz”

Überarbeiteter Vortrag von Annegret Becker-Baumann, ursprünglich gehalten im Philosophie-Institut “Reflex” am 18.02.2004.

Zusammenfassung
Zunächst biete ich einen geschichtlichen Überblick, vor allem über die Anfänge in vorchristlicher Zeit sowie einige Anmerkungen zu den philosophischen Strömungen, die sich in der Astrologie finden. Dann gehe ich auf die Denkmodelle der Astrologie ein sowie auf den Begriff und die Erfahrung der Evidenz. Der Unterschied zwischen Wissenschaft und Kunst ist mir wichtig, und am Ende stelle ich das Hauptargument der Gegner vor und zeige, dass es unsinnig ist.

Einleitung
Ich freue mich, Ihnen eine Disziplin vorstellen zu dürfen, die im akademischen Bereich weitgehend ausgeschlossen wird und ein Eigenleben führt, unbeachtet von den Medien und der Öffentlichkeit. Das was in den Zeitungen über Astrologie zu lesen ist, nennen wir die Vulgär-Astrologie. Das hat mit meinem Thema nur den Namen gemeinsam.

Mein Vortrag lautet “Warum Astrologie funktioniert – allen Skeptikern zum Trotz”. Viele Menschen kennen ihr Tierkreiszeichen von der so genannten Zuckerwürfelastrologie aus den Cafés, nach dem Motto: “Was halten Sie von Astrologie?” – “Ich glaube nicht dran. Wir Stiere sind skeptisch.” Oder so ähnlich.

Um Ihnen das Thema Astrologie etwas näher zu bringen, werde ich als Einleitung einen Überblick über die Geschichte der Astrologie geben. Anschließend stelle ich Ihnen den philosophischen Hintergrund der Astrologie vor und versuche zu erklären, warum denn Astrologie überhaupt funktioniert. Zum Schluss gehe ich auf das Hauptargument der Gegner der Astrologie ein.

Wo und wie entstand Astrologie?
Heute gilt die Auffassung als gesichert, daß Astrologie im Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris, also in Sumer entstanden ist, heutiges Territorium des Irak. Bereits um 2000 v. Chr. gab es eine gemeinsame Astrallehre der verschiedenen Reiche (Akkadien, Sumerer, Amoriter, Babylon u.a.), die sich in Mesopotamien tummelten. Ab 1.350 vor Chr. war Assyrien Großmacht, Städte wie Nimrud und Niniveh entstanden. Um 680 v. Chr. wurde die berühmte Bibliothek des Königs Assurbanipal gegründet. Sie wurde ab 1847 ausgegraben. Man fand 25000 Keilschrifttäfelchen, davon 4000 systematisch geordnete Omina, die zum Teil bis auf sumerische Zeiten zurückgehen. Begriffe wie “Gott” oder “Stern” sind in Keilschrift fast gleich, was den astralreligiösen Ursprung belegt. Sterne galten zunächst selbst als Götter, später als Sitz der Götter.
Quelle: Wilhelm Knappich, Geschichte der Astrologie, 2 Aufl. 1988, Ffm

Die früheste Form von Astrologie, die sich in den Omina spiegelt, war universeller Natur, sie deutete politische und wirtschaftliche Angelegenheit des Staates, bezog sich auf Kriege, Naturkatastrophen, Thronfolgen, allgemeine Angelegenheiten. Individuelle Horoskope gab es noch nicht. Die Götter gaben durch Omen ein Zeichen, das die Menschen zu enträtseln suchten. Man konnte drohendes Unheil durch Opfer und andere Riten abändern, der Gedanke an ein unabänderliches Schicksal war nicht gegeben.

Im 3. Jahrhundert vor Chr. entstand die Individualastrologie, inzwischen unter hellenistischem Einfluß in Ägypten. Für uns heutige ist es kaum zu trennen, welchen Einfluß im einzelnen die Griechen, die Ägypter und die Chaldäer auf die Entwicklung der Astrologie nahmen.
Ein Name fällt in diese Zeit, der 2 Gottheiten verbindet, nämlich den ägyptischen Gott Thot und den griechischen Gott Hermes, da beide auch mit der Kunst des Schreibens und der Offenbarung okkulter Wahrheiten zu tun hatten: Aus Hermes-Thot wurde Hermes Trismegistos, der “dreimalgrößte Hermes”. In der Literatur der Antike wird er als Gott verehrt, der esoterische Traditionen seinen eingeweihten Priestern offenbarte. Dazu gehörte u.a. auch die Astrologie. Die Schriften, die hiervon handelten, wurden als Hermetika zusammengefaßt, etwa vom 2. JH v. Chr – 4./5. JH n. Chr. Das ist nicht zu verwechseln mit dem “Corpus Hermeticum”, einer Textsammlung aus nachchristlicher Zeit.

Quelle: Kocku von Stuckrad, Geschichte der Astrologie. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, C.H. Beck, München 2003

Platon (427 – 347) wird als erster Grieche genannt, der den Sternenhimmel in einen Zusammenhang mit dem Erdenschicksal bringt, und zwar im “Timaios”. Als erster griechischer Astrologe gilt der Schüler Platons Eudoxos von Knidos (408 – 355), der in Ägypten von den Priestern astrologische Kenntnisse erhielt, z.B. eine Aspektelehre. Die Systematisierung dieser Lehre mit Trigon, Quadrat und Sextil ist dann aber im pythagoreischen Umfeld systematisiert worden.

Aristoteles (384 – 322) trug mit Hilfe seiner kosmologischen und physikalischen Erklärungsmodelle dazu bei, daß Astrologie in Griechenland Einzug halten konnte. Die Fixsternsphäre verkörperte das Prinzip der Permanenz, die Planetensphäre zeigte die Dynamik irdischen Lebens. Lebensbedingungen und Lebensdauer auf der Erde werden von diesen beiden entgegen gesetzten Bewegungen (der Fixsterne und der Planeten) determiniert. Damit war das Fundament der klassischen Astrologie gelegt.

Im 3. JH v. Chr. brachten babylonische Gelehrte die Astrologie nach Griechenland, insbesondere Berossos, der eine Astrologenschule auf Kos um 281 v. Chr. gründete.

In römischer Zeit hatte die Astrologie eine wechselvolle Geschichte, zumal damals bereits die gelehrte seriöse A. von der Vulgärastrologie unterschieden wurde. Zum einen bedienten sich die Cäsaren der Astrologie als politisches Machtinstrument, zum anderen gab es Zeiten, in den kein Römer das Badehaus besuchte, ohne vorher das Horoskop befragt zu haben. Immer wieder wurden deshalb? Astrologen aus Rom verbannt. Vor dem absoluten Aus stand die Astrologie, als die Schule von Athen um 529 von Justinian geschlossen wurde. Nun mußten Philosophen und Astrologen fliehen und zogen zumeist nach Persien, Buchara und Chiwa, wo sie gastfreundlich aufgenommen wurden. So entstand ein neues Geistesleben mit arabischen, griechischen und indischen Einflüssen. 300 bis 400 Jahre später drang dann die arabisch-griechische Philosophie und Astrologie über Spanien und Sizilien wieder ins Abendland ein.
Hier wurde sie zunächst in den Klöstern aufgeschrieben und bewahrt, später an den Universitäten der Städte gelehrt. In der Renaissance erlebte sie im Zuge der wieder entdeckten Liebe zum Hellenismus eine großartige Blütezeit. Jeder geistig bedeutsame Mensch jener Zeit beschäftigte sich mit Astrologie. Ich nenne stellvertretend für viele Nikolaus von Cues (15. JH), jenen berühmten Kirchenmann, der in seiner Jugend selbst eine astrologische Schrift verfaßte und zeitlebens astrologische Bücher sammelte, dann vor allem Philipp Melanchthon, den Freund und Weggefährten Martin Luthers in der Reformation. Melanchthon arbeitete als Professor an der Universität Wittenberg, wo er u.a. Astrologie lehrte. Er hat eines der ältesten Werke, das “Tetrabiblos” von Claudius Ptolemäus 1553 neu herausgegeben in griechischer und lateinischer Sprache. Die erste deutsche Übersetzung stammt von Dr. Julius Pfaff von 1822. Das Tetrabiblos selbst entstand um 150 n. Chr.

Durch die Erkenntnisse der Naturwissenschaft ab dem 17. Jahrhundert verschwand das Interesse an Astrologie. Der letzte deutsche Lehrstuhl wurde um 1820 geschlossen. Erst durch die Theosophen, die die indische Tradition nach Europa brachten über Madame Blavatsky, Annie Besant, Alan Leo u.a., fand die Astrologie neues Interesse.

Der philosophische Hintergrund
Viele verschiedene Gedankensysteme und religiöse Auffassungen sind in die Astrologie eingeflossen.

Eine grundlegende Idee ist bis heute in jeder Form der Astrologie zu finden, nämlich die Elementelehre des Empedokles (485 – 425), die von Aristoteles dann in eine die Jahrhunderte überdauernde Form gebracht wurde. Sie bewirkt dreierlei:

1.Sie ordnet die sichtbare, sinnlich erfahrbare Schöpfung und führt sie auf Grundprinzipien zurück.
2.Sie erklärt den Kreislauf des Entstehens und Vergehens, der Generationen durch Verbindung und Trennung der Elemente bzw. der Umwandlung.
3.Sie begründet das Prinzip der Harmonie, der idealen Abgestimmtheit aller Stoffe und Kräfte. Dieser Gedanke spielt in der klassischen Medizin und den Vorstellungen von Krankheit und Gesundheit eine wichtige Rolle.

Die Lehre des Aristoteles von den vier Elementen in Verbindung mit den zwei Urqualitäten und zwei Aggregatzuständen ist bis heute in der Astrologie zu finden.

warm und trocken = Feuer
warm und feucht = Luft
kalt und trocken = Erde
kalt und feucht = Wasser

Die Stoiker, deren Begründer Zenon von Kition (340 – 260 v.Chr.) war, haben wesentlich zur Verbreitung der Astrologie beigetragen. Sie verstanden das Universum als lebendigen Organismus. Eine immanent wirkende, ordnende Kraft – Logos, Urfeuer oder Gott – offenbart sich in der Gesetzmäßigkeit des Kosmos, in dem alles mit strenger, kausaler Notwendigkeit geschieht. Deren Wirkungen sind zwangsläufig das Bestmögliche, auch wenn sie dem nicht wissenden Sterblichen als Leid oder Unglück erscheinen. Die Sterne, erhabenste Manifestation des Urfeuers, erzeugen durch ihren Einfluß die Heimarmene, das Schicksal.

“Volentem ducunt fata, nolentem trahunt” – “Den Willigen führt das Schicksal, den Unwilligen zerrt es mit sich”. Dem Weisen ist das Schicksal Führung, er lehnt sich nicht dagegen auf, sondern verwirklicht seine Freiheit, indem er in Einklang mit der Natur lebt, ohne sich von der Welt abzuwenden. Letztlich lassen sich Menschenliebe und Gerechtigkeit als grundlegende Forderungen hieraus ableiten, alle Menschen als gleichberechtigt zu sehen.

Quelle: Rafael Gil Brand: Lehrbuch der klassischen Astrologie, Chiron Verlag 2000.

Bei Walther Kranz in “Die griechische Philosophie” heißt es: “Der Stoiker ist Fatalist, dienender Verehrer des unerbittlichen Weltgesetzes; einen Zufall will er … nicht anerkennen. Menschengröße besteht nach ihm darin, das vom Schicksal Bestimmte in ein freiwillig Getragenes umzuwandeln.” (S. 298) Wir sagen heute, die Haltung zu einer Sache verändern.

Diese Auffassung findet sich teilweise in der modernen Astrologie wieder. Gerade, wenn Menschen mit einem unausweichlichen Schicksal leben müssen wie einer tödlichen Krankheit, einer Behinderung, einer tragischen Verstrickung, ist es für den Einzelnen gut, sich darauf zu besinnen, daß man an sich selbst, an der eigenen Haltung arbeiten kann.

Der zentrale Satz für die astrologische Deutung ist aber jene berühmte Analogie “Wie oben so unten”, die aus der Tabula smaragdina aus dem Corpus Hermeticum stammt.

Dieser Satz ist das Credo der Astrologie, soweit sie sich denn darüber Rechenschaft abgibt, wie es zu erklären sei, daß sie “funktioniert”. Man findet diesen Gedanken der Entsprechung zwischen Himmel und Erde, zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos, wie es Paracelsus formuliert hat, von Anfang an. Bereits die Pythagoräer hatten eine Lehre der Entsprechung zwischen Himmel und Erde. Paracelsus, der große Arzt am Ausgang des Mittelalters, hat diese Entsprechung zwischen Mensch und Kosmos in seine Arbeit unmittelbar einfließen lassen. Er forderte, daß jeder gute Arzt auch Astrologe sein müsse.

Im Vaterunser beten wir: “Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.” Das ist die christliche Entsprechung dieses Analogieprinzips.

Es gibt den berühmten Satz von Kant: “Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir … Ich sehe sie vor mir und verknüpfe sie unmittelbar mit dem Bewusstsein meiner Existenz”(am Ende der “Kritik der praktischen Vernunft” 1788, siehe Spiegel 1/ 2004, S. 116).
Ich glaube, daß er genau diese Analogie beschreibt, auch wenn er sich im gleichen Text von der Astrologie distanziert.

Goethe war ein großer Kenner dieser Gedanken. Er hat sie in vielen Gedichten bearbeitet. Auch die Vorstellung eines beseelten, organischen Kosmos, einer Einheit findet sich bei ihm wieder. Einige Beispiele mögen dies belegen.

Epirrhema
Müsset im Naturbetrachten
Immer eins wie alles achten;
Nichts ist drinnen, nichts ist draußen:
Denn was innen, das ist außen.
So ergreifet ohne Säumnis
Heilig öffentlich Geheimnis.

Freuet euch des wahren Scheins,
Euch des ernsten Spieles:
Kein Lebendiges ist ein Eins,
Immer ist’s ein Vieles.

Nötigung
Da ist’s denn wieder, wie die Sterne wollten:
Bedingung und Gesetz; und aller Wille
Ist nur ein Wollen, weil wir eben sollten,
Und vor dem Willen schweigt die Willkür stille;
Das Liebste wird vom Herzen weggescholten,
Dem harten Muß bequemt sich Will‘ und Grille.
So sind wir scheinfrei denn nach manchen Jahren
Nur enger dran, als wir am Anfang waren.

Aus: Talismane
Im Atemholen sind zweierlei Gnaden:
Die Luft einziehn, sich ihrer entladen.
Jenes bedrängt, dieses erfrischt;
so wunderbar ist das Leben gemischt.
Du danke Gott, wenn er dich preßt,
Und dank‘ ihm, wenn er dich wieder entläßt.

Wär nicht das Auge sonnenhaft,
Die Sonne könnt‘ es nie erblicken;
Läg‘ nicht in uns des Gottes eigne Kraft,
Wie könnt‘ uns Göttliches entzücken?

Johann Wolfgang von Goethe

Goethe kannte sein eigenes Horoskop, und hat es gedeutet in seiner autobiographischen Schrift “Dichtung und Wahrheit”, 1. Buch.

Zusammenfassung
Wenn ich Astrologie philosophisch begründe, gehe ich von folgenden Ausgangspunkten aus:

1. Der Kosmos, die große und schöne Ordnung existiert, und ich bin ein Teil des Kosmos. Darum ist alles, was ich tue, wichtig. Ich kann den mir zugewiesenen Platz bewußt einnehmen und ausfüllen, wie ein Schauspieler, der seine Rolle gut spielt. Die griechische Vorsilbe “kos” weist auf “Schönheit hin, wie in “Kosmetik”.

2. Zwischen mir und dem Kosmos besteht eine Wechselbeziehung. Es ist daher wichtig, daß ich im Einklang mit der Natur, Mutter Erde, der Umwelt, dem Zweck lebe . Um zu erfahren, wie ich am besten im Einklang leben kann, nutze ich die Astrologie, nicht um mich in ängstlichem Bangen und Hoffen an Prognosen zu klammern, sondern um in Gelassenheit und mit klarem Geist das Orakel als weise Führung zu verstehen, als Wegweiser auf dem Weg durchs Leben zum Lebensziel.

3. Die Sternenschrift am Firmament ist eine Uhr, die die Qualität der Zeit anzeigt. Die Griechen unterschieden bereits die verrinnende Zeit, Chronos, und den Inhalt der Zeit, die Zeitqualität, Kairós. Wir kennen den Ausdruck “Die Gunst der Stunde nutzen”. “Alles hat seine Zeit”, jenes berühmte Zitat aus dem Buch “der Prediger” in der Bibel. Es ist die Aufgabe der Astrologie, diese Zeit abzulesen und in Alltagssprache zu übersetzen, was die Qualität der Zeit beinhaltet.

Das Gedicht von Pierre de Ronsard spricht es gut aus:

Elegie
Nun da der Abend unser Aug‘ umflort,
Betracht ich zukunftssüchtig die Gestirne,
Durch die uns Gott in Lettern, wohl zu deuten,
Der Kreaturen Los und Schicksal kündet.
Denn der aus Himmelshöhn den Menschen schaut,
Weist ihm aus Mitleid oft den rechten Pfad
In seiner Sterne Schrift am Firmament
und sagt das Glück, das Unglück uns voraus.
Doch wir, am Staube haftend, sündenschwer,
Verachten solche Schrift und sehn sie nicht.

Die Deutung der Zeitqualität ist abhängig von meinem Wissen und meiner Weltanschauung. Je nachdem, ob stoische oder gnostische, hermetische, christliche oder atheistische Ansichten vorherrschen, wird die Interpretation der Konstellationen gefärbt. Entsprechend beeinflussen ethische Überzeugungen und moralische Ansprüche die Interpretation. Eine philosophische Grundbildung wäre sowieso für jeden Menschen hilfreich, für Astrologen ist sie es ganz besonders.

Hermetismus bzw. Hermetik als Naturphilosophie stellt eine Verschmelzung zwischen platonischer Philosophie und ägyptischer Kosmologie dar.
Gnosis bzw. Gnostizismus beschreibt religiöse Erkenntnis, Wissen um göttliche Geheimnisse und die Bewegung der Anhänger dieser Lehren. Hans Jonas hat sich damit befaßt. Gnosis ist ein wenig bearbeitetes Gebiet und eher negativ besetzt in der Philosophenszene trotz eines Rehabilitationsversuchs von Sloterdijk lt. Ralf Liedtke in “Die Hermetik”, Schöningh 1996.

Warum funktioniert Astrologie?
Das Erlebnis der Evidenz

Wenn Menschen ihr Horoskop deuten lassen, machen sie im allgemeinen die Erfahrung, daß die Aussage der Astrologen für sie stimmig ist. Woran liegt das?
Astrologie leistet zweierlei:

Erstens gibt sie dem Menschen einen philosphisch-religiösen Rahmen, in dem er Heimat findet, in dem er zu Recht zu Hause ist. “Kein Ort, nirgends” gilt nicht. Sondern jeder Mensch hat den für ihn richtigen Platz. Vielleicht ist der Platz ungemütlich oder unbequem, schwierig auszufüllen, aber es ist sein Platz. Hierin stimmt astrologische Betrachtung auf jeden Fall mit der christlichen Religion überein. Ob wir christlich oder humanistisch orientiert sind, astrologische Weltbetrachtung paßt. Sie ist vielleicht größer, umfassender. Wenn Menschen angesichts von Leid fragen “Wie kann Gott so etwas zulassen?” Dann finde ich die Gottesvorstellung dieser Menschen sehr eng.

Zum zweiten hilft Astrologie dem Menschen, sich selbst und andere zu verstehen.

Astrologie bietet ein System, um Ordnung im Chaos zu schaffen. Astrologie besitzt die älteste und zugleich differenzierteste Typologie über den Menschen. Wir kennen psychologische Typologien, z.B. die Konstitutionstypen nach Kretschmer (Leptosom, Pykniker, Athlet), die Typen nach Riemann (schizoide, depressive, zwanghaft und hysterische Persönlichkeiten), 9 Typen nach dem Enneagramm und eben auch die astrologischen 12 Tierkreiszeichen. Solange ich nur die 12 Typen unterscheide, bin ich noch sehr im Allgemeinen. Sobald ich aber ein Horoskop eines Menschen errechne, habe ich mindestens 3 Differenzierungen, 1. die 12 Tierkreiszeichen, dann 2. die 12 verschiedenen Aszendenten und 3. die 12 Mondstellungen. Also ohne die anderen Planeten zu berücksichtigen, hätte ich schon eine Typologie von 12 x 12 x 12 Zeichen, das sind bereits 1728 verschiedene Menschentypen. Und darüber findet sich der einzelne Mensch schon sehr genau beschrieben.

Wenn Menschen zur astrologischen Beratung kommen, dann sind sie bereit, sich auf eine Erfahrung einzulassen, die eine andere Art des Erkennens und Verstehens voraussetzt, als wir das in der Schule lernen und das etablierte wissenschaftliche Weltbild vorschreibt.
Wir vergessen im allgemeinen, daß wissenschaftliche Aussagen sehr begrenzt sind. Das zur Zeit gängige Vorurteil lautet, alles ist wissenschaftlich erfaßbar, was nicht wissenschaftlich erfaßbar ist, gibt es nicht oder ist unanständig. Nur, was “wissenschaftlich” bewiesen wurde, findet Eingang in die Salons unserer Gesellschaft.

“Unsere ursprüngliche, unmittelbar erlebte Erfahrung ist viel reicher als die Erfahrung, die sich wissenschaftlich fundieren läßt. Denn unsere Erfahrung beginnt doch schon dort, wo wir uns noch ganz als integrierten Teil einer Gesamtwirklichkeit erleben, wo wir noch nicht angefangen haben, uns als Subjekt vom Objekt zu trennen, wo wir noch nicht angefangen haben, unserem existentiellen Ich eine objektiv erfahrbare Außenwelt gegenüberzustellen. Viele für uns wichtige Erfahrungen, z.B. auf religiösem oder künstlerischem Gebiet, erfüllen nicht die Auswahlkriterien einer wissenschaftlichen Betrachtung. … Sie beziehen sich nicht auf exaktes, objektivierbares Wissen nach den Normen der exakten Naturwissenschaften. Aber es besteht andererseits keine zwingende Notwendigkeit, sie deshalb nicht auch als Wissen zu bezeichnen, denn genau betrachtet machen wir in unserem Alltag fast immer nur von diesem umfassenderen, aber weniger scharf faßbaren Wissen Gebrauch, da die Vorbedingungen, unter denen die exakten Aussagen zutreffen, praktisch nie gegeben sind.”
(Zitat Hans-Peter Dürr, Wissenschaft und Wirklichkeit in “Geist und Natur”, Scherz Verlag 1989).

Ich weiß nicht, ob es unser Sonnengeflecht ist, unser Denken aus dem Bauch heraus, wie manche sagen, oder ob wir über die beiden Gehirnhemisphären zu einer Erklärung kommen können. Sie haben sicher davon gehört, daß wir zwei Gehirnhälften haben, die unterschiedliche Funktionen ausüben. Mit der rechten Gehirnhälfte bewegen wir uns im irrationalen, im alogischen, im schauenden Bereich, der für die künstlerische Kreativität und Inspiration zuständig ist, während die linke Hemisphäre mit Logik, Ratio, Analyse in Verbindung steht.
Beide Hemisphären sind über einen schmalen Balken verbunden, und wenn man ihn durchtrennt, wie das früher manchmal bei OPs gemacht wurde, dann werden Menschen irreparabel gestört.

Fest steht, daß man durch die Bilderwelt der Astrologie seelische Bereiche erschließt, öffnet, entdeckt, die einem vorher verschlossen, unzugänglich, unbewußt – wie auch immer – waren.

Ähnlich wie das Gebet in der Seelsorge, die Psychotherapie oder bestimmte Rituale Katharsis, Reinigung, Wandlung, Heilung bewirken, so auch potentiell die astrologische Horoskopdeutung. Menschen, die sich auf die Deutung einlassen, erleben eine Stimmigkeit, eine Evidenz, eine Richtigkeit, die nicht objektivierbar, nicht exakt messbar ist, weil sie in einem Bereich der Unschärfe agiert. Und das hat nichts mit Wischi-waschi-Aussagen zu tun, die für alle Menschen gelten würden, sondern mit dem letztlich Numinosen, mit dem Nicht Greifbaren. Vielleicht hat Astrologie die Qualität der blauen Stunde, jenes Dämmerungsbereichs zwischen Tag und Nacht, wo die Schatten länger werden und die Umrisse verschwinden.

Wenn wir an Astrologie die wissenschaftliche Messlatte anlegen, müssen wir feststellen, daß sie nicht reproduzierbar ist und wenden uns enttäuscht ab. “Um etwas Richtiges, etwas Wahres auszusagen, muß Astrologie aber genauso wenig eine Wissenschaft sein, wie es nötig ist, daß Landwirtschaft eine Wissenschaft sein muß, um das dort angesammelte Erfahrungswissen nutzbringend anwenden zu dürfen.” (Die dümmsten Bauern ernten die dicksten Kartoffeln.) (zit. aus Harald Wiesendanger, Der Streit ums Horoskop, S. 58)
Astrologie ist also keine Wissenschaft nach derzeitiger Definition für mich, sie ist Kunst und Philosophie zugleich.

“Erleben des gestirnten Himmels, sofern sich ihm der Mensch bis in seine tieferen seelischen Schichten hinein auftun kann, ist immer religiöses Erleben. In all dem, was sich da über ihm weitet, was im Osten sich leuchtend erhebt, still über den Himmel zieht, im Westen wieder versinkt, wird der schauende Mensch des Übermächtigen inne, von dem her er sein ganzes Dasein empfängt. All sein Verstehen übersteigend, demütigend und erhebend zugleich, ergreift ihn das Kreaturgefühl in der Begegnung mit dem “Ganz Anderen”, dem “Heiligen”, von dessen Erhabenheit er in versunkenem Hinblicken erfüllt, bedrängt und beseligt wird.”
(zit. nach Rudolf Otto, “das Heilige” 1936 in: Siegfried Böhringer “Astrologie”, Grünewald Verlag, Mainz 1990)

Astrologie ist kein in sich geschlossenes und widerspruchsfreies Theoriengebäude mit eindeutigen Definitionen. Astrologie steckt voller Widersprüche und Ungereimtheiten.

In einer Zeit, in der die traditionellen Glaubensgemeinschaften für viele Menschen keine spirituelle Heimat mehr bieten, ist die Astrologie ein Anker für die Sehnsucht nach Sinn und Ordnung. Nach wie vor ist der gestirnte Himmel in klaren Nächten etwas zutiefst Beeindruckendes, etwas Erhabenes, unter dem wir Menschen uns zugleich unendlich klein und doch auch geborgen fühlen.
Religiöse Lieder wie “Er hält die ganze Welt in seiner Hand” zeugen von dieser Geborgenheit. Und alte Kirchenlieder beinhalten jede Menge Astralmystik. Jesus wird zur “Sonne der Gerechtigkeit”, “die güldne Sonne voll Freud und Wonne”. In dem Lied von Cornelius Becker (1561 – 1604) “Laßt uns den Herren loben in seinem Nam‘ vereint” heißt es in Strophe 2:

“Dein Kraft beweist die Sonne mit ihrem schönen Licht, dazu der Mond, die Sterne, die du hast zugericht; daß sie als Himmelszeichen zum Nutzen uns gereichen mit Wirkung, Lauf und Schein.”

Auch in dem Oratorium “Die Schöpfung” von Joseph Haydn (1732 – 1809) gibt es wundervolle Poesie, die den gestirnten Himmel besingt, z.B. “In vollem Glanze steiget jetzt die Sonne strahlend auf, ein wonnevoller Bräutigam, ein Riese stolz und froh, zu rennen seine Bahn. Mit leisem Gang und sanftem Schimmer schleicht der Mond die stille Nacht hindurch. Den ausgedehnten Himmelsraum ziert ohne Zahl der hellen Sterne Gold; und die Söhne Gottes verkündigten den vierten Tag mit himmlischem Gesang, …”

An diesen Texten beeindruckt die Poesie, die bilderreiche Sprachgewalt, die Symbolik. Und hier ist das Bindeglied zur Astrologie. In den Symbolen der 12 Tierkreiszeichen und der 10 klassischen Planeten steckt ebenso viel Poesie und Bilderreichtum. Symbole sind Nahrung für die Seele.

Vielleicht kann man sich vorläufig auf folgende Zwischendefinition verständigen:

“Astrologie ist, in allgemeinster Form ausgedrückt, die Deutung räumlicher Verhältnisse und zeitlicher Abläufe in unserem Sonnensystem. Sie basiert auf der Grundannahme, daß die sich aus solchen Verhältnissen ergebenden Rhythmen in Zusammenhang stehen mit physikalischen, biologischen und psychischen Abläufen in Organismen auf der Erde.

(Quelle: Dr. Peter Niehenke, Astrologie, eine Einführung, Reclam 1994)

Durch den Psychoanalytiker C. G. Jung mit seiner Archetypenlehre und dem Begriff der Synchronizität hat Astrologie einen sehr schönen modernen Erklärungsansatz bekommen, ein gut funktionierendes Modell.

Wenn wir also den Sternenhimmel betrachten mit seinen Planeten, dann stellen wir keinen kausalen, ursächlichen Bezug her nach dem Motto: “Weil der Planet Mars am Himmel steht, bin ich heute so kriegerisch”. Sondern: “Immer, wenn der Planet Mars …, dann bin ich kriegerisch.”

Diese Korrellationen sagen nichts aus über ein dahinter liegendes Bewirkendes. Der Himmel ist wie ein Meßinstrument, eine große kosmische Uhr, die die Zeit anzeigt, aber nicht macht. Denken Sie an ein Thermometer, es zeigt die Raumtemperatur, es macht sie aber nicht. Und so stellen wir uns das mit dem Horoskop vor. Die Konstellationen am Himmel zeigen etwas an, ohne es zu verursachen. Durch die Forschungen von C. G. Jung kennen wir Begriffe wie das kollektive Unbewußte und die Archetypen.

C.G. Jung sagt in “Der Mensch und seine Symbole”: Und woher wissen wir, dass solche Ideen nicht wahr sind? Viele Menschen würden mit mir übereinstimmen, wenn ich einfach behauptete, solche Vorstellungen ( von Gott ) seien höchstwahrscheinlich Illusionen. Was sie sich dabei aber nicht klarmachen, ist, daß die Ablehnung ebenso unmöglich zu “beweisen” ist wie die Behauptung eines religiösen Standpunktes.
Es gibt jedoch einen triftigen empirischen Grund, weshalb wir Gedanken, die nicht bewiesen werden können, doch kultivieren sollten. Sie haben sich nämlich als heilsam erwiesen. Der Mensch braucht unbedingt Vorstellungen und Überzeugungen, die seinem Leben einen Sinn geben und ihn in die Lage versetzen, für sich einen Platz im Universum zu finden. Er kann die unglaublichsten Leiden ertragen, wenn er davon überzeugt ist, dass sie einen Sinn haben. Religiöse Symbole geben dem menschlichen Leben eine Bedeutung.”

Und ich füge hinzu, astrologische Symbole geben ebenfalls dem Leben eine Bedeutung. Die Bildersprache der Astrologie bezieht sich auf griechische Mythen. Und der Mythos erzählt immer eine wahre Geschichte, nicht im Sinne von historisch einmal da gewesen, sondern im Sinne von immer gültig.

Wenn ich mit einem konkreten Menschen im Kontakt bin, sei es als Arzt, als Seelsorger, als Psychologe, als Astrologe, dann gelingt Wandlung nur durch die ganz persönliche, individuelle, nicht mit anderen Menschen wiederholbare Begegnung. Während wir mit dem allgemeinen Werkzeug (der Medizin, der Religion, der Psychologie, der Astrologie …) uns dem Menschen nähern, passiert etwas, das die Griechen Katharsis nannten, Reinigung, Heilung, Erkenntnis meiner selbst.

Für den Jungianer ist z.B. ein Traum nicht eine Art genormte Geheimschrift, die mit Hilfe eines Verzeichnisses von Symbolbedeutungen entziffert werden kann. Sondern der Traum ist ein wichtiger persönlicher Ausdruck des individuellen Unbewußten. Und genau so verhält es sich in einer Beratung mit der Deutung des Geburtshoroskops. Darum können beide, die Traum- und die Horoskopdeutung auch nicht beliebig wiederholt werden, eine Forderung der heutigen Naturwissenschaften. Wiederholbarkeit ist nicht möglich bei Einzigartigem. Und der Mensch ist einzigartig, wie sein Fingerabdruck, wie seine Iris im Auge, wie sein Horoskop.

Das ist ja schon eine faszinierende Vorstellung: das individuelle Horoskop gibt es nicht zweimal. Jeder Mensch hat ein anderes Horoskop. Es mag sich nur in Kleinigkeiten unterscheiden, aber es unterscheidet sich. Es gibt astrologische Zwillinge, wenn zur gleichen Zeit am gleichen Ort 2 Menschen geboren werden, aber wie oft passiert das schon. Ich kenne nur wenige Berichte über astrologische Zwillinge. Lassen wir dieses Randgebiet also heute beiseite. Im allgemeinen gilt: Horoskope können sich ähneln, aber sie sind nicht identisch.

Die Welt des Bewußtseins ist nur ein Teil des Seins, die Welt des Unbewußten ist genauso existent, aber sie entzieht sich den Begriffen der Logik, der Analyse, der Ratio. Sie hat ihre eigene Logik, die mit den Mitteln der Analogie eher zu fassen ist.
So wie das Gehirn zwei Hemisphären hat, die unterschiedlich arbeiten, so gibt es zwei unterschiedliche Arten, die Wirklichkeit zu erfassen. Nach Jung wird der Mensch erst dann ein Ganzes, in sich ruhend, produktiv und zufrieden, wenn er Bewußtsein und Unbewußtes miteinander versöhnen kann bzw. beide sich gegenseitig ergänzen.

Goethe hat gesagt: “Wer Wissenschaft und Kunst besitzt, der hat auch Religion, wer aber beides nicht besitzt, der habe Religion”. Ich denke, der alte Geheimrat hat von diesen Zusammenhängen wieder einmal mehr gewußt als andere.

Wenn ich im Horoskop eines Klienten die individuell angeordneten Symbole für ihn oder sie persönlich deute, dann begeben wir uns auf diese spannende Reise in andere Welten, oder in unser Unbewußtes, in den Bereich, wo wir unsere seelischen Schätze hüten und vor den Augen der Anderen verbergen.
Oder mit der Sprache C. G. Jungs, zu unserem seelischen Zentrum, das quasi die Ganzheit unserer Psyche darstellt, im Gegensatz zum Ich, das nur den bewußten Teil ausmacht. C. G. Jung nannte es das Selbst. Bei den Griechen war es der Daimon, bei den Römern der Genius.

Darum bedarf es auch der aktiven Unterstützung des Klienten. Wenn ich mit den Symbolen arbeite, und mein Gegenüber bleibt verschlossen, sitzt als Gegner, als Ungläubiger vor mir, dann gelingt es uns nicht, die Tür zu seinem Unbewußten zu öffnen. Astrologische Symbole sind der Schlüssel, aber die Tür ist beim Klienten. Ich helfe, den Schlüssel zu drehen, aber öffnen muß mein Gegenüber. Es hat etwas von einem Ritus, einer magischen Handlung.
Dazu fällt mir wieder ein Gedicht von Joseph Eichendorff ein: “Schläft ein Lied in allen Dingen, die da träumen fort und fort. Und die Welt hebt an zu singen, triffst du nur das Zauberwort.”

Kunst und eben auch Gedichte sind eine Art, Zugang zu unserer Seele zu bekommen und auch, sie zu entwickeln.

Die Argumente der Gegner der Astrologie

Das erste, was mir immer wieder auffällt, wenn Menschen Astrologie ablehnen, ist, daß sie sich mit Astrologie nicht auskennen. Sie erlauben sich, Vorurteilen zu folgen. Wenn Menschen das Christentum, namentlich den Katholizismus ablehnen, waren sie häufig als Kinder Meßknaben und man könnte sagen, gebranntes Kind scheut das Feuer. Auch wenn sie das Kind mit dem Bade ausschütten, haben sie doch immerhin mit dem Thema ihrer Ablehnung Berührung gehabt. Nicht so bei der Astrologie. Nur ganz wenige Gegner kennen ihren “Feind”.

Berühmtes Beispiel für dieses Vorurteil:
1975 veröffentlichten 18 Nobelpreisträger und 168 weitere angebliche Wissenschaftler verschiedener Fachbereiche ein “Manifest gegen die Astrologie”, in dem sie u.a. auf die fehlende wissenschaftliche Grundlage hinwiesen. Als Reporter des BBC sie näher zum Thema interviewen wollten, verweigerten sie jegliche weitere Stellungnahmen, mit der Begründung, mit der Astrologie hätten sie sich nie näher befaßt.
Quelle: Paul Feyerabend: “Erkenntnis für freie Menschen”, Suhrkamp 2003

Die modernen Naturwissenschaften haben eine derartige Monopolstellung in unserer Gesellschaft erhalten, daß man den größten Unfug verzapfen kann, wenn man es nur wissenschaftlich belegen kann. Die Allmacht Gottes wurde abgelöst durch die Allmacht der naturwissenschaftlichen Beweise. Wir glauben nicht mehr an Gott, wir glauben an die Wissenschaft.

An vorderster Front stehen dabei die Astronomen. Auch sie sind häufig bekennende Astrologie-Gegner. In der Sternwarte Hannover durfte im Jahr 2003 ein Filmteam nicht filmen, weil es ein astrologisches Thema bearbeitete.
Ein Zusammenschluß von Astronomen in Deutschland wetterte vor Jahren gegen die Möglichkeit, Astrologie an deutschen Volkshochschulen zu unterrichten, mit der Begründung, man würde damit Staatsgelder verschwenden.
(Quelle: Sterne und Weltraum, ca. 1994)

Und ich weiß von Professoren an deutschen Universitäten, die unter Pseudonym astrologische Artikel veröffentlichen, weil sie Angst haben, daß ihr guter Ruf leidet, wenn sie zugeben, sich mit Astrologie zu beschäftigen.

Zugeben, daß man sich ernsthaft mit Astrologie beschäftigt, bringt einen sofort in die Gefahr, nicht ernst genommen zu werden. Ich mache diese Erfahrung, wenn ich will, täglich.

Eines der Hauptargumente gegen die Astrologie will ich hier aufgreifen, nämlich daß die Astrologie ein falsches Bezugssystem habe, bzw. die Sonne am 21. März gar nicht im Sternbild Widder, sondern im Sternbild Fische stünde.

Hierzu muß man folgendes sauber trennen:

1. Es gibt Sternbilder und Tierkreiszeichen. Es gibt keine Sternzeichen, obwohl dieser Begriff sehr beliebt ist, aber er ist sachlich unklar.

2. Es gibt 2 Meßkreise am Himmel, den siderischen Tierkreis und den tropischen Tierkreis, also 2 Bezugssysteme.

Der siderische Tierkreis umfaßt die ungleich großen Sternbilder, die entlang der Ekliptik, der scheinbaren Jahresbahn der Sonne verlaufen.

Der tropische Tierkreis ist die Einteilung der Jahresbahn der Sonne, also der Ekliptik in 12 gleich große 30°-Abschnitte, beginnend mit dem Frühlingspunkt.
Der Frühlingspunkt wird definiert als der Moment, wo die Sonne genau im Osten aufgeht und im Westen untergeht, der Tag und die Nacht also gleich lang sind. Diese Situation haben wir 2-mal pro Jahr, zum Frühlings- und zum Herbstbeginn oder Äquinoktium.

Menschliches Leben und Erleben fußt auf unserer Wahrnehmung. Und wir nehmen wahr, daß die Sonne auf- und untergeht, nicht daß die Erde auf- und untergeht.
Wir nehmen ferner die Jahreszeiten wahr und erleben ihren unmittelbaren Einfluß auf unsere Befindlichkeit. Der tropische und damit astrologische Meßkreis differenziert diese Jahreszeitenwahrnehmung. Die 4 Jahreszeiten erfahren eine Aufteilung in 3 Phasen: Beginn, Verfestigung, Ende (Übergang zur nächsten Jahreszeit).

Immer wieder wird gerade von naturwissenschaftlich orientierten Menschen behauptet, die Astrologen arbeiteten mit einem veralteten bzw. falschen Tierkreis. Das hört sich dann z.B. so an:
“Es sei noch darauf hingewiesen, daß die Sternzeichen, welche die Astrologie zur Typengliederung benützt, einer Zwölfteilung des Kalenderjahres entsprechen: am 21. März “tritt die Sonne ins Sternzeichen des Widders ein”. Das war vor etwa 2000 Jahren tatsächlich richtig. Heute steht die Sonne beim Durchgang durch den Frühlingspunkt aber an einer völlig anderen Stelle des Ekliptik (vgl. J-13 und J-14). In den vergangenen 2000 Jahren hat sich der Frühlingspunkt um etwa ein Sternbild nach rechts, also in die Fische hinein verschoben. Ein am 5. April geborenes Kind erblickt also eine Sonne, die mitten im Sternbild der Fische steht, das wollen wir uns bei der nächsten Studie des wöchentlichen Horoskops in Erinnerung rufen! … “( zit. aus: Ewgeni Obreschkow: Die Jahreszeiten, eine Dia-Serie der Baader Planetarium KG).

Diese Behauptung ignoriert, daß es 2 Meßkreise gibt, nämlich den eben genannten siderischen Tierkreis (mit den 12 Sternbildern, die am nächtlichen Himmel sichtbar sind), und den tropischen Tierkreis (mit den 12 Tierkreiszeichen), der ein abstrakter Meßkreis ist, bezogen auf den Lauf der Sonne durch das Jahr und beginnend am Frühlingspunkt, dem Schnittpunkt zwischen Ekliptik und Himmelsäquator.

Bereits im Hellenismus, genauer, seit Hipparch (ca. 190 – 120 v.Chr.), wußte man um diese beiden Kreise, bzw. um das Problem der Präzession. Durch die Gravitationskräfte von Sonne und Mond beschreibt die Rotationsachse der Erde eine Torkelbewegung, so daß die Erdachse einen Kegelmantel um den Ekliptikpol herum bildet. Ein kompletter Umlauf dieser Drehachse beträgt 25.920 Jahre und wird Platonisches Jahr genannt. Würden wir uns am siderischen Lauf der Sonne orientieren, hätten wir, wenn die Sonne im Sternbild Krebs ist, nach 13000 Jahren um diese Zeit tiefsten Winter und nicht wie heute, Sommeranfang. Um also zu vermeiden, daß unser Kalender und die Jahreszeiten langsam aber sicher auseinanderdriften, mußte ein anderes Kriterium gewählt werden, um den Jahresbeginn zu markieren. Der Frühlingspunkt, also der Termin am 21. 3., an dem bei uns der Frühling beginnt, wurde zum Ausgangspunkt der Sonnenbewegung durch den Tierkreis gewählt. Es ist dieser auf die Jahreszeiten bezogene Tierkreis, der der Astrologie zugrunde liegt und den bereits der griechische Astronom Hipparch kannte.

In der gleichen oben zitierten Dia-Sammlung heißt es deshalb auch an anderer Stelle:
“Die “Linisolarpräzession” – so heißt diese Torkelbewegung im Fachjargon – ist schon sehr lange bekannt. Der Frühlingspunkt ist also nicht ein unter den Sternen festgenagelter Punkt, er verschiebt sich vielmehr entlang der Ekliptik der Sonne entgegen. Das Kalenderjahr ist nun die Zeit zwischen zwei Frühlingspunkt-Durchgängen der Sonne.”

Genau so ist es. Und dennoch wird immer wieder so getan, als gäbe es diesen Jahreszeiten-Tierkreis nicht bzw. als würde Astrologie mit den “festgenagelten” Sternbildern arbeiten. Seit über 2000 Jahren aber funktioniert Astrologie mit dem in 12 gleich große Abschnitte eingeteilten Kreis mit 12 abstrakten Tierkreiszeichen im Gegensatz zu den 12 ungleich großen Sternbildern. Auch das war bereits im Altertum bekannt, da offensichtlich. Hätte man wirklich die 12 Sternbilder zugrunde gelegt bei der astrologischen Deutung, dann würde die Sonne in manchen Bildern nur 25 Tage verweilen, z.B. im Sternbild Widder, in der Jungfrau dagegen 45 Tage. Es ist ganz eindeutig falsch zu behaupten, die Astrologie arbeite mit den Sternbildern.

Warum also wird immer wieder der gleiche Unfug verbreitet?! Ganz besonders ärgerlich finde ich es, dass ausgerechnet Astronomen, die es doch nun besser wissen sollten, dazu beitragen, diese falschen Behauptungen immer wieder zu verbreiten. Oder wissen sie es am Ende gar nicht? Offensichtlich lassen sie sich nicht von rationaler Neutralität leiten, sondern von irrationalem Widerwillen gegen ein philosophisches System, das sie nicht durchschauen.

Damit Sie diesen Menschen nicht auf den Leim gehen, habe ich diesen Vortrag ausgearbeitet. Ich freue mich auf Ihre Fragen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!